++ contrapunkt ++ dialog der kulturen
Revolte, Aufbegehren und Subversion waren daher einmal ausdrückliche Bestandteile der Popkultur, die von den Twens getragen wurde und in Ost wie West gegen das Eingefahrene der bürgerlichen Kälte anging. Nun ist auch diese Musik größtenteils zur Mode assimiliert und dient damit immer mehr der gesellschaftlichen Ein- und Zurichtung der Teens zu braven Konsumenten. Wen rockt heute noch der Pop.
1968 war nicht nur ein Höhepunkt der Studentenbewegung sondern auch der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in Prag. In Ost und West suchte man nach einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Die einen saßen es aus, andere sahen zu und wieder andere machten Aktion. Das gespaltene Deutschland hat mit den Daten 1953 (Aufstand in Berlin), 1956 (Ungarn-Aufstand) verschiedene Erfahrungen gemacht.
Hat sich 1989 das Verhalten von Machern und Aussitzern wiederholt und die Linke ins Büßerhemd – wie Lothar Baier es nannte – abdrängen lassen? Was wurde aus den musikalischen Intellektuellen? Aufstand, Zustand, Querstand, nachholende Revolution – was lässt sich aus der (musikalischen) Geschichte lernen?
Die Emanzipation der Frau in Ost uns West scheint in allen künstlerischen Bereichen abgeschlossen, die Gleichberechtigung vollzogen. Trotzdem existieren Vorurteile, deren Ursachen bis ins Mittelalter zurückreichen. Vorurteile prägen eine Rollenverteilung in allen gesellschaftlichen Systemen. Besonders in der Musik gab und gibt es immer wieder Phasen zwischen Anerkennung und Verleumdung weiblicher Kreativität.
Musik ist für die Politik sowieso schon unheimlich. Ganz schwierig wird es jedoch, wenn sich Musik mit dem Kabarett paart. Musik- und Wortwitz schlagen manchmal derartig unvorhersehbare Haken, erwecken Assoziationen, die man so oder so nehmen oder hören kann: War dies ein Scherz oder ist es doch Kritik. Im geteilten Deutschland waren die Funktionen und Auswirkungen des Musikkabaretts, ja nach politischem Leitstern verschieden. Verbieten, ignorieren, drüber lachen oder ist das alles sowieso nur musikalischer Fasching – was tun?
Wie man es auch dreht, meistens fehlt eines von beidem: Der westlichen Marktkultur fehlte es an visionären und langfristigen „Plänen“ und der östlichen Plankultur fehlte es häufig an „Kultur“. Kultur, wie auch immer, erscheint kaum mehr als eine in der Gesellschaft verankerte Form menschlicher Selbstbestimmung. Kultureller Dirigismus von oben oder mehr oder weniger fadenscheiniges Engagement privatwirtschaftlicher Unternehmer führen, wie man deutlich spürt, zur Isolierung kultureller Prozesse. 1989 schien einmal ein anderer Weg offen. Kultur von unten ist heute jedoch offenbar ganz unten. Musikkultur von Staats wegen oder des Geldes halber?
17. Dezember 2002 – Goethe-Forum München Moderation: Manfred Wagenbreth & Theo Geißler Regie: Hufner/Lieberwirth; Redaktion: Wolf Loeckle „Ihr Kinderlein kommet, so kommet doch all“, so schallt es allweihnachtlich in deutschen Kinderstuben. Nicht weniger frohlockend klingt...
Das musikalische Genre des „Jazz“ ist ideologisch eigentlich unverdächtig. Jazz gibt es in vielen Facetten rund um den Globus. Gleichzeitig steht „Jazz“ von Anbeginn für Aufbegehren. 1925 schrieb schon Paul Stefan in den „Musikblättern des Anbruch“, man sei sich einig, „dass dieses böse Etwas, Jazz, der Anfang einer Revolution sein kann.“ Jazz als Revolution war jedoch in den beiden deutschen Staaten unterschiedlich mit Sinn aufgeladen.
Fast einen Monat nach der Bundestagswahl ist auch eine gute Zeit, sich mit der Zukunft des „Musiklandes Deutschland“ auseinander zu setzen. Auf welchem Weg befindet sich das angeblich kulturelle Hochleistungsland Deutschland, sind in der Entwicklung unserer Musiklandschaft, zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung, noch Perspektiven zu erkennen?
„Schön ist es auf der Welt zu sein, sagt die Biene zu dem Stachelschwein,“ reimte es sich einst im Schlager. Die heile Welt (der Musik und Kulturen) findet in der Weltmusik ihre utopische Formulierung. Gegenseitiges Verständnis und Erfahrungsaustausch über nationale Grenzen hinweg sind ihre Mittel und Ziele zugleich. Doch was ist heute noch dran, in Zeiten der globalen Marktkontrolle (auch in der Musik)? Weltmusik unter Ideologieverdacht zwischen „proletarischem Internationalismus“ und „imperialistischem Kosmopolitismus“. Ist „Weltmusik“ zu einem beliebig befüll- und kultivierbaren Biotop in der Plastikwanne verkommen?
Während die ausgeprägte Singelust an ostdeutschen Schulen gefördert und so die harmonisch entwickelte sozialistische Persönlichkeit fast unmerklich ans Kollektiv geschmiedet wurde, brummelten westdeutsche kleine Idividuen allenfalls ihre Heimatlieder oder bereiteten sich bestenfalls auf Wettbewerbe vor, um für die persönliche Karriere optimale Ergebnisse vorzuweisen. Was ist davon nach der deutsch-deutschen Musikerziehungs-Verbrüderung übrig geblieben? Sind Schulmusikerziehung und Musikschule heute immer noch von politischen und ökonomischen Positionen abhängig?